Neil Douglas-Klotz bietet folgende Übersetzungen aus
dem Aramäischen an:
Gesegnet sind die, die zu jeder Jahreszeit Frieden pflanzen;
sie werden die Kinder Gottes genannt werden.
Gesund sind die, die den Ton anstimmen, der vereinigt; man
wird sich an sie als Strahlen der einen Einheit erinnern.
Ausgerichtet auf das All-Eine sind die, die den Boden für
friedliche Zusammenkünfte vorbereiten; sie werden zu Brunnen der Lebendigkeit.
Ganz bei sich sind diejenigen, die sich innerlich freudig
mit sich selbst versöhnen; sie werden das Siegel kosmischer Identität
tragen.
Geheilt sind jene, in denen die Frucht des Mitgefühls
und der Sicherheit für alle reift; sie werden das Kommen Gottes neuer
Schöpfung beschleunigen.
Als ich diese Übersetzungsangebote las, da war mir,
als würde eine Türe zu meinem Inneren aufgestoßen und ein
frischer Wind würde mein Denken neu anfachen. Es war ein Aufbruch.
Zuerst ein gedanklicher Aufbruch, dem sich dann sehr viel Empfinden
anschloss.
Frieden! Dafür hatte ich meinen Beruf gewählt,
ihn wollte ich sichern helfen.
Frieden! Dafür gingen Menschen auf die Straße.
Frieden! Dafür hatten Menschen gekämpft. Viele
hatten ihn für sich in Anspruch genommen – die anderen hatten ihn gebrochen.
War das der Friede, von dem Jesus sprach, der Frieden, den
die Menschen suchen?
Ich glaube nicht! Aber was ist dann dieser Frieden? Was bedeutet
mir dieses Wort, welches mich seit Tagen verfolgt bis in die Tiefen meines
Herzens.
Wenn ich mir die Übersetzungsvorschläge anschaue,
dann geht es da um Frieden pflanzen, einen Ton anstimmen, vereinigen, sich
erinnern. Da geht es um „ausgerichtet“ sein und um Vorbereitung. Versöhnung
ist gefordert, weil in ihr die Heilung liegt. Mitgefühl für alle!
Es ist Tun gefordert – ganz praktisches Tun, jeden Tag, jede
Stunde, jeden Augenblick. Es ist kein passives „Auf-den-Frieden-warten“.
Ich bin gefordert, zuerst ich,
denn ich bin der Auslöser von
Frieden oder Unfrieden in mir!
In meinen gedanklichen Diskussionen hätte ich mir bis
vor kurzem entgegengehalten, dass da wohl immer zwei dazugehören und
… dass dies mit Realität nichts zu tun hätte. Die Umstände
in der Welt, die Unfertigkeit der einzelnen Menschen, die Ungleichheit und
Ungerechtigkeit. Ich hätte auf die Geschichte verwiesen, auf die Erfahrungen
in meinem Leben und das, was schon die „Alten“ erzählt hatten. Ich
hätte mit Vehemenz auf die Politik verwiesen, auf die beutegierigen
Unternehmen, die ausbeuterischen Gesellschaftssysteme dieser Welt und auf
die verantwortungslosen Religionen.
Wahrscheinlich hätte ich mich so in meine Selbstgespräche
hineingesteigert, dass ich den Kontakt zu meiner Außenwelt verloren
hätte, außer, es wäre mir einer begegnet, der mir zugestimmt
hätte. Oder … einer mit Gegenargumenten. Heiße Diskussionen um
die Definitionen wären ausgebrochen, Wortgefechte; Sicherheitszäune
für die eigenen Argumente hätte ich aufgebaut und die Argumente
des anderen mit großen Wortwaffen zerschossen. Die Diskussion um den
Frieden wäre in einen Krieg ausgeartet. Um Wettbewerbsvorteile und
Wachstumsraten an intellektuellen Gedanken wäre es in diesem Kampf
gegangen – denn einer mußte ja als Sieger aus diesem Gefecht hervorgehen.
Nur in „Gesprächen“ um den Frieden? Nein, in Gesprächen um alles.
Doch nun weiß ich –
Frieden kennt keinen Sieger!
Denn dort, wo es einen Sieger gibt – gibt es auch einen Verlierer.
Und ich hätte ganz bestimmt – im Brustton der Überzeugung verkündet:
„Der andere hat den Frieden gebrochen!“
Immer wieder, wenn ich diese Sätze lese, dann wird mir
klar – ich habe nichts begriffen. Warum? Nun, kann es sein, dass ich nicht
ergriffen bin, dass ich mich von der „Gewissheit des Friedens“ habe noch
nicht ergreifen lassen. Kann es daran liegen, dass ich den Begriff des Friedens
bisher immer separat von allen anderen Dingen gesehen habe?
Natürlich; ich habe Frieden bisher immer als etwas „Getrenntes“
wahrgenommen! Da gab es das Leben und den Frieden; die Freude und den Frieden;
das Glück und den Frieden. Da gab es den Tod und den Unfrieden, die
Trauer und den Unfrieden, das Unglück und den Unfrieden. Da gab es
den Kampf um den Frieden gerade so, als wäre der Friede ein Preis in
einem Wettbewerb. Ich habe gewonnen – doch … (dann gibt es auch einen Verlierer)
ich habe auch verloren. Ich habe ge-ur-teilt, getrennt. Doch im Frieden
gibt es keine Trennung, glaube ich.
Friede ist in Allem ein Teil
und Alles ist ein Teil im Frieden.
Es geht also doch um mich – denn, wenn ich nicht den Frieden
als Teil meines Seins in mir trage bzw. ich nicht als Sein im Frieden bin,
dann bin ich nicht ganz; fertig; vollendet. Ich sende mein Licht (oder was
auch immer) aus – und der Spiegel (die Welt) wirft mir den Schatten zurück.
Manchmal kann ich mich an das Aussenden nicht mehr erinnern wenn mich der
Schatten erreicht und dann verstehe ich nicht; aber ich weiß – aus
eigener Erfahrung – ich habe ausgesandt.
Auch ER sendet aus – immer – allgegenwärtig – allergreifend
– und ich bin der Widerhall dieser Sendung; außer ich bin mal wieder
damit beschäftigt Wortgefechte zu führen und Wettbewerbe zu veranstalten.
Dann werde ich vom Spiegel zum Zerrspiegel und laufe als Fatamorgana (Fee
Morgan) durch die Welt, den Frieden verkündend, den ich noch gar nicht
kenne, da ich mich nicht kenne.
Es muss sein – jetzt, in diesem Augenblick will ich beginnen
– ich muss mich kennen lernen. Und die Übersetzungen dieses „Selig
sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ helfen
mir beim Verstehen. So will ich mich aufmachen, sie zu erfassen, auszulegen
(alte Tradition im Nahen Osten) und meine Textinterpretationen hinzufügen.
Jeder, der teil - nehmen will, ist von Herzen willkommen.
Jeder, der mit – tun will, ist eingeladen.
Die Frage zu stellen wer ich bin ist für mich schwierig.
Von wem sollte ich eine Antwort erhalten? Vom Verstand? Dieser ist geprägt
von meiner Sozialisierung und wird mir bestimmt keine objektive Antwort
geben können. Er wird meine Vorstellungen, Erwartungen usw. widerspiegeln
– meine Vorstellungen und Erwartungen von Gott und mir. Also von ihm, da
bin ich mir ziemlich sicher, erhalte ich keine erschöpfende Antwort.
Im Gegenteil, ist er es nicht, der die oben geschilderten
Wortgefechte ausführt und die Wettbewerbe – ich bin schöner als
du, reicher, begehrenswerter und erfolgreicher – organisiert. Er ist es,
der mir einflüstert – du musst deinen Willen durchsetzen, du musst
der Erste, der Beste sein, streng dich an, dann kannst du es erreichen.
Du musst wissen, so flüstert er, auch Gott liebt Gewinner. Strenge
dich an, überschreite Grenzen, du musst … Dies sind die Antworten meines
Verstandes. Den Frieden gewinnen? Klar, aber als erster im Ziel! Wer ich
bin, wie soll er dies wissen?
Nun, eine weitere Ebene wären meine Gefühle und
Empfindungen. Fühlt sich Frieden gut an? Unfrieden fühlt sich
nicht gut an!? Wenn ich in mich hineinhöre (wohin, dazu später),
dann sind da immer zwei Stimmen zu hören. Die eine sagt: „Frieden ist
gut!“ und die andere: „Aber nicht um jeden Preis!“ Also geht es auch hier
um den Preis – den Siegerpreis. Also auch hier ein abwägen, ein einordnen
der Vor- und Nachteile. Frieden ist gut, wenn er mir etwas bringt und wenn
nicht, dann nicht Frieden um jeden Preis. Manchmal bin ich auch bereit einen
„Scheinfrieden“ einzugehen, einen so genannten Kompromiss. Doch auch hier
stellt sich die Frage: „Was kostet mich dies!“ bzw. „Was kriege ich dafür!“
Anerkennung, Lob, Zuneigung? Mit meinen Gefühlen ist es wie mit meinem
Verstand: „Sie verkaufen sich an den Meistbietenden!“
Wenn der „liebe Gott“ mir Etwas gibt
für mein Gebet, dann gebe ich Frieden.
Und wenn nicht? Dann hadere ich, dann beschwere ich mich,
dann werfe ich Ihm den ganzen Krempel hin und will mit Ihm nichts mehr zu
tun haben. Dann ist es halt aus mit dem Frieden! Aber war der Zustand davor
wirklich Frieden so wie ihn Jesus verstand. Ich denke – und du wirst mir
zustimmen – nein.
Also was tun, wie diesen Frieden finden, von dem Er sprach.
Nun, vielleicht muss ich wirklich die einzelnen Übersetzungen betrachten,
damit ich den „Frieden“ verstehe – im Frieden stehen lerne.
Gesegnet sind die, die zu jeder Jahreszeit Frieden pflanzen;
sie werden die Kinder Gottes genannt werden.
Das Schlüsselwort in dieser Zeile ist für mich
das Wort Kind. Vor vielen Jahren sagte einmal ein Astrologe zu mir: „Wir
haben zu viele Macher auf der Erde!“ Weiterhin sagte er, dass ich kein Macher
sei. Und gerade dies wollte doch mein Verstand sein – ein Macher. Nein,
ein Kind wollte er nicht sein. Mit dem Kindsein hatte er Probleme. Kindsein
war für ihn gleichgesetzt mit unmündig, zurückgestellt, nicht
entscheidungswürdig, bevormundbar, zur Erziehung freigegeben. Nein,
nein, dies alles wollte ich – weder nach meinem Verstand, noch nach meinem
Gefühl – sein.
Doch Kindsein hat für mich heute eine andere Bedeutung.
Kindsein heißt – offen sein, ohne Vorurteile. Kinder pflanzen ihre
Ideen plötzlich in den Grund, ohne lange zu fragen, ob es ihnen Vorteile
oder Nachteile bringt. Kinder werden erst berechnend, wenn wir anfangen
sie zu erziehen.
Wenn es mir also gelingt, offen wie ein Kind zu sein, mit
offenen Händen durch die Welt zu gehen, anzunehmen und zu geben, ohne
auf meinen Vorteil (Vorurteil) zu achten, einfach und gerade, dann bin ich
klar in meinem Wesen. Ist diese Klarheit nicht die Grundvoraussetzung für
„Frieden“?
Ich glaube schon und wenn diese Klarheit stört, dann
nur den Scheinfrieden, die Decke aus Gutmeinensfrömmigkeit (eine
wundervolle Wortschöpfung einer Bekannten) und nicht den wahren Frieden.
Ich habe einmal in einem Gedicht geschrieben – Kinder sind so unangenehm
ehrlich, bis sie erzogen sind, dann schweigen sie! Nun, schweigen will ich
nicht, aber auch nicht in einen Wettbewerb um den Frieden eintreten.
Den Frieden in jeder Jahreszeit zu pflanzen! Dies verstehe
ich als Aufforderung, in mir umzugraben, die alten Früchte aus dem
Boden zu holen – wenngleich ich da wohl tief graben muss – und dann die
neuen Samen in eine tiefe Furche zu legen. Immer, jeden Augenblick meines
Lebens. Wo fragst du?
Nun, dort, wo das Leben pulsiert –
nein, nicht im Kopf – im Herzen.
Aus dem Herzen heraus leben, im Herzen verankert sein, das
Herz sprechen lassen. Wir kennen doch alle diese Worte. Tun wir es auch.
Nun, ich sehr oft nicht und dies macht mich unzufrieden, gereizt; zu einem
Menschen der schwierig ist. Es gilt also, die Krankheit des Verstandes und
das Ungesunde in meinen Gefühlen aufzuspüren und anzuschauen.
Es gilt wieder gesund zu werden.
Gesund sind die, die den Ton anstimmen, der vereinigt; man
wird sich an sie als Strahlen der einen Einheit erinnern.
Über Gesundheit wird derzeit so viel gesprochen, wie
noch nie in meinem Leben. Jeder verspricht Gesundheit und doch sind die
Ärztezimmer voll, die Krankenhäuser quellen über und die
Gesundheitssysteme oder wohl besser die Krankheitsfinanzierungssysteme stoßen
an ihre finanziellen Grenzen – sagt man. Geht es uns bei der Gesundheit
nicht auch so wie mit dem Frieden. Wissen wir was Gesundheit ist? Für
viele mit denen ich rede ist Gesundheit die Abwesenheit von Krankheit. Aber
ist die Abwesenheit von Krankheit wirklich Gesundheit? Ist die Abwesenheit
von Krieg – Frieden?
Jesus sagte zu denen, die ER heilte: „Gehe hin und sündige
nicht mehr!“ Sünde, ein Wort, welches in unserer Gesellschaft verpönt
ist. Sünde ist mega out. Doch verstehen wir das Wort Sünde und
was hat es mit Gesundheit zu tun. Nun, ich denke viel, wenn nicht gar alles.
Sünde ist wohl Sonderung! Absonderung aus einer Ordnung – und im Sinne
Jesu wohl aus der Ordnung Gottes. Wenn ich mich also von der Ordnung Gottes
entferne, dann sündige ich. Ich sondere mich ab von Ihm; von IHM[2] – der Ganzheit. Wenn Jesus also sagte:
„Gehe hin und sündige nicht mehr, dann meinte Er wohl – so verstehe
ich es wenigstens – sondere dich nicht mehr ab aus der Ordnung Gottes.
Aus diesem Gesichtspunkt heraus gesehen ist die gesamte gefallene
Schöpfung – also die materielle Schöpfung – Produkt von Krankheit.
Ist der Engelfall eine Krankheit? Natürlich, denn diese Wesenheiten
sind aus der bestehenden Ordnung willentlich ausgestiegen um eine neue,
ihren „Bedürfnissen entsprechende Ordnung“ zu kreieren:
„Ich will!“
Nun heißt dies nicht, dass jeder der „Ich will“ sagt,
krank ist. Aber jeder der nur „Ich will“ sagt, ist bestimmt nicht gesund.
Ich kenne viele dieser „Ich will“ auch bei mir – ich habe sie oben beschrieben:
„Wettbewerb und ständiges Wachstum“. Heißt dies nun, dass Wettbewerb
und Wachstum Krankheiten sind? Für mich schon, wenn ich sie unter dem
Gesichtspunkt des Profits betrachte. Wenn ich dabei die innere Ordnung
übersehe, die Ganzheit vergesse.
„Ich will sein wie Gott“, dies ist für mich der erste
Gedanke der zur Krankheit führte und diesem Gedanken sind wir alle
– der eine mehr, der andere weniger – noch immer verfallen.
Meinen inneren Ton habe ich verloren! Warum? Nun, weil er
nur in einer Harmonie klingen würde. Harmonie bedeutet aber, dass ich
mich einreihen muss. Dass ich zu einem Tongefüge gehöre. Dass
es da nicht nur um mich geht, sondern um etwas Größeres.
So bedeutet für mich Gesundheit[3] meinen Ton wieder–zu-finden. Gesund
bin also dann, wenn ich wirklich meinen Ton einbringe in die Harmonie. In
der Harmonie gibt es keinen Wettbewerb. Da gibt es ein Bestreben durch den
harmonischen Klang die Einheit zu verherrlichen.
Ausgerichtet auf das All-Eine sind die, die den Boden für
friedliche Zusammenkünfte vorbereiten; sie werden zu Brunnen der Lebendigkeit.
Ausgerichtet sein auf ein Ziel, welches nicht nur mir dient,
sondern der Gemeinschaft und darüber hinaus der Ganzheit. Also, vom
Kleinen zum Großen, von der Oktave zur Symphonie der Schöpfung.
Ein einzelner Ton, der sich besonders darstellt – stört da; führt
automatisch zur Disharmonie.
Wenn ich jedoch auf dieses Ziel „Mitspielen in der Schöpfungssymphonie“
ausgerichtet bin, dann öffne ich mich für das „Du“; ich öffne
mich für das Leben in seiner Ganzheit. Ich teile dann nicht mehr –
nun, derzeit ist es schon schön, wenn der kleinste Versuch gelingt
– sondern ich füge zusammen wo Trennung ist. Ich bereite den Boden
für friedliche Zusammenkünfte. Wo? In mir!
In meinem Herzen berufe ich eine Konferenz ein und lade dazu
ein – meinen Verstand und meine Gefühle. Alles, was ich im Kopf habe
und alles was im Bauch sich ausbreitet lade ich ein zu einer Konferenz in
mein Herz. In der Mitte treffen wir uns.
Vielleicht ist Dir, lieber Teilnehmer an meinem Exkurs aufgefallen,
dass ich von mir spreche. Wer ist dieses ich/mir? Soweit ich erkennen kann
nicht meine Gedanken und nicht meine Gefühle. Dies sind Spielfelder
von mir, doch nicht meine Wirklichkeit. Viele Begriffe wurden für diese
Wirklichkeit erfunden: „Geist, Monade, Seele usw.“. Suche Dir einen aus,
der Dir gefällt. Doch eines ist klar: „Ich bin diese Wirklichkeit und
somit viel mehr als alle Gedanken und Gefühle zusammen. Denn diese
sind nicht meine Erfinder, sondern sie sind meine Kinder. Ich bin ihr Schöpfer
und ich sollte ihr Lenker sein. Doch dies – ich gestehe es freimütig
ein – bin ich nur unzureichend.
Wäre ich ihr Lenker, dann wäre
ich nicht krank und hätte keine Probleme mit dem „Frieden“.
Sehr oft ist es so, dass sie sich bekämpfen, im Wettbewerb
zueinander stehen und ich stehe abseits und tue so, als würde mich
das Ganze nichts angehen. Ein andermal lasse ich mich von einem von ihnen
dominieren. Gewinnen meine Gefühle, dann raste ich gefühlsmäßig
aus bzw. versinke in eine tiefe „Gefühlsduselei“ je nach dem Anlass.
Oder mein Verstand gewinnt, dann plane ich, liste auf und lege Wege fest,
von denen ich weiß, dass ich sie nie gehen werde – außer in
meinen Phantastereien.
Um jedoch gesund werden zu können, muss ich sie miteinander
versöhnen. Ich muss beiden ihren Platz zugestehen, jedoch lernen, dass
ich der „Steuermann“ bin. Dies bedeutet nicht, dass ich sie nun dominieren
muss. Nein, ich muss sie anerkennen als meine Kinder, muss sie annehmen
wie meine Kinder, sie lieben und doch auch erziehen. Ich muss ihnen wieder
beibringen, dass sie zum Wohle der Ganzheit – in diesem Falle „mir“ – zusammenarbeiten
müssen.
Der Boden dieser Zusammenarbeit liegt
im Herzen. Dort, wo ich zuhause bin.
Ist es nicht interessant, dass bei den Ägyptern es das
Herz war, welches auf der Waage der Maat (Ordnung) gewogen wurde; aufgewogen
gegen eine Feder. War das Herz schwerer als die Feder wurde es verworfen
und der „Tote“ konnte in der jenseitigen Welt nicht weiterleben. Das Gehirn?
Es war bedeutungslos, wurde bei der Einbalsamierung nicht gebraucht und
aus dem Schädel geholt. Warum? Nun, es wurde als Teil dieser Welt angesehen
und in der anderen Welt nicht zu gebrauchen.
Die großen Mystiker sprechen alle davon, dass das All-Eine
im Herzen des Menschen zuhause ist. Der Geistfunke, die große Seele,
sie sind in der Spitze des Herzens verankert.
Von diesem Herzen aus, wird mit der Kraft, die aus der Verbindung
zur All-Einheit entspringt, der ganze äußere Kreislauf mit Leben
versorgt. Hier ist der Platz für friedvolle Zusammenkünfte, hier
ist der Boden für eine friedvolle Entwicklung, hier ist der Brunnen,
aus dem alle trinken können.
Als Jesus zur Frau am Brunnen sprach: „Ich bin das Wasser
des Lebens; wer davon trinkt, wird nie wieder Durst haben“, meinte er da
nicht die Präsenz der EWIGEN ALL-EINHEIT durch ihn? Wenn du eins wirst
mit mir – der göttlichen Essenz in dir – dann bist du gesund – lebendig!
Ganz bei sich sind diejenigen, die sich innerlich freudig
mit sich selbst versöhnen; sie werden das Siegel kosmischer Identität
tragen.
Ein Wort in diesem Satz hat für mich persönlich
eine „fundamentale Bedeutung – Freude!“
Was bitte hat Frieden mit Freude zu
tun? Alles, denn ohne Freude gibt es keinen Frieden.
Sehr oft habe ich Menschen, die sich vehement für den
Frieden eingesetzt haben, auf allen Ebenen und in allen denkbaren Ausformungen
als „verbitterte Menschen“ kennen gelernt. Sie waren so auf ihren „Kampf
um den Frieden“ fixiert, dass sie die Freude vergessen hatten. Übrigens
habe ich auch viele „Asketen auf den geistigen Pfaden“ erlebt – und ich
gestehe, ich war so einer – die Gottes Reich nur durch Opfer und Verzicht
zu erreichen glaubten. Es gab Zeiten, da hätte ich Jesus ebenso wie
die „Scheinheiligen“ seiner Zeit Völlerei vorgeworfen. Ich hätte
dies wahrscheinlich sehr leise getan. Warum? Weil ich Angst vor einem „strafenden
Gott“ hatte und Jesus ist immerhin sein Sohn.
Oder ich hätte mich vor dem „Buchhalter Gott“ gefürchtet,
der meine Ausraster in sein „heiliges Buch“ schreibt um mir dann bei meinem
Übergang die Rechnung zu präsentieren. Himmel oder Hölle
hatte in meinem Denken sehr oft etwas mit Askese oder Freude zu tun. Waren
nicht alle Heiligen Asketen? Nun, so wurden sie mir geschildert – aber heute
glaube ich nicht mehr daran.
Derjenige, der innerlich nicht freudig
den Weg zur Ganzheit geht – der hält ihn nicht durch.
Dies mag einige Jahre gehen, aber nicht für immer. Und
wie gesagt – Askese aus Angst (damit meine ich nicht freiwilligen Verzicht
um eines höheren Zieles willen) – verbittert. Friede ist da wohl weit
entfernt. Fundamentalismus in seiner missionarischen Form ist da eher gegeben.
Ich habe die Wahrheit, ich kenne den Weg, ich bin es, der dir die Ewigkeit
vermitteln kann etc.
Wie gesagt, einmal war ich ein Völler, dann ein Asket,
einmal ein vor Angst Zitternder und dann wieder ein Verrückter, der
in den Bach springt, den ein anderen umgeleitet hat. Dies alles war ich
– bin ich noch manchmal. Kann „man“ mit so jemanden Frieden halten. Ja,
wenn „man“ sich versöhnt. Dies bedeutet genau, was oben steht: „Um
zum Frieden zu gelangen, muss ich mich mit mir selbst versöhnen!“ Ganz
leicht, oder? Nun, für mich die schwerste Aufgabe die es gibt.
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Aussage Jesu.
Zweites Gebot. Ja, meinen Nächsten lieben, dies verstehe ich. Glaube
ich. Oder? Aber wie mich. Soll ich wieder von vorne anfangen? Nein. Dazu
bin ich zu weit gewandert. Natürlich ist dieses Gebot nur in seiner
Ganzheit zu verstehen. Die Liebe zum Nächsten kann ich nur erbringen,
wenn ich mich selbst liebe. Eigenliebe? Ja! Narzissmus? Nein. Eigenliebe
ja, aber nur ihm Hinblick auf das erste Gebot: „Liebe Gott über alles!“
Da habe ich es doch wieder – die Ganzheit. Ich brauche diese
Dreiheit: „Gott, Du, Ich!“ Nur in diesem Gleichklang kann ich den anderen
lieben und mich. Und indem ich den anderen liebe, liebe ich Gott, denn Jesus
sagte: „Was du deinem Nächsten tust, das hast du mir getan!“ In uns
allen ist Gottes Substanz. Wie ein Wassertropfen im Ozean dieselbe Substanz
hat wie der ganze Ozean, so habe ich und natürlich alle meine Nächsten
– also Alle – dieselbe Substanz wie Gott und ich.
Wir alle spiegeln Gott wider – wenn
wir verstehen, richtig zu spiegeln.
Noch sind wohl viele von uns Schattenwerfer
– und nicht Lichtspiegel!
Wären wir schon Lichtspiegel, wir wären gesund,
ausgerichtet auf das gemeinsame Ziel – Schöpfungssymphonie, würden
den friedvollen Boden in Freude für die bereiten die uns nachwachsen.
Wir würden uns nicht mehr um den Boden streiten, würden nicht
mehr gegeneinander kämpfen, müssten uns nicht mehr beweisen, wer
der Bessere von uns ist und wären damit geheilt von unserem „Wahn“,
wir äußeren Menschen müssten tun.
Herr, wie weise ist Deine Schöpfung,
nur wir Menschen glauben,
wir müssten ständig etwas verbessern.
Nein, wir äußeren Menschen müssten nicht
immer tun. Im Gegenteil, wir müssten zulassen. Zu-lassen, dass der
Geist in uns tun kann; also wir - in unserer Wirklichkeit - selbst.
Unser „Fall“ wäre geheilt.
Geheilt sind jene, in denen die Frucht des Mitgefühls
und der Sicherheit für alle reift; sie werden das Kommen Gottes neuer
Schöpfung beschleunigen.
Geheilt sind also jene, die im „Du“ die Verwirklichung gefunden
haben: „Im Schöpfer-Du, im Bruder-Du, im Schwester-Du, im Kind-Du,
im Vater-Mutter-Du!“
Wenn es mir also gelingt, Mitgefühl für meine Gedanken
zu entwickeln, meinen Gefühlen Wertschätzung zukommen zu lassen,
dann muss ich sie in meinem „Nächsten“ nicht mehr be-ur-teilen, als
richtig einstufen oder als falsch bekämpfen. Wenn ich mich in mir versöhnt
habe mit allen meinen „Persönlichkeiten“, dann muss ich keinem mehr
beweisen, dass ich der Beste, der Klügste, der Schönste (fällt
Dir noch ein Wort ein) bin. Dann muss ich überhaupt nichts mehr beweisen.
Dann bin ich mit mir – zu-frieden.
Einfach oder? Aber dann gibt es auch kein „missionieren“
mehr; kein Aufdrängen von Meinungen, kein besserer Weg, kein richtigeres
Verhalten, dann ist – FRIEDEN.
Nun, so bin ich für mich zur Überzeugung gekommen,
dass der Frieden schon da ist. Dass ich ihn nicht zu suchen brauche, nicht
um ihn kämpfen muss, ihn nicht erringen muss – ich muss nur zulassen,
dass er mich umfängt; ER – DER EWIGE FRIEDE!
Solange ich glaube, dass ich machen muss, solange wehre ich
mich dagegen. Wehre mich dagegen, dass die Wahrheit in mir aufscheint, da
sie manchmal gegen meine Wahrheit steht; dass die Klarheit in mir zutage
tritt, weil ich sie nicht vertrage; dass die Ehrlichkeit mein Begleiter
wird, weil sie mir „faule Kompromisse“ aus der Hand nimmt.
Solange ich um den Frieden ringe – da bin ich mir sicher
– mache ich genau das, was dem Frieden im Weg steht: „Ich will!“ Wenn ich
nicht mehr will, sondern sage: „Wie Du willst“ – dann ist FRIEDEN!
Nur dann habe ich Sicherheit, nur dann habe ich Geborgenheit,
nur dann habe ich Frieden, wenn ich Gottes Liebe annehmen kann – nicht als
mein Verdienst – sondern als ein Geschenk.
Annehmen hat für mich etwas mit
Ein-Stellung zu tun und Aus-Richtung.
Therese Neumann aus Konnersreuth, eine stigmatisierte Frau
des 20. Jahrhunderts sagte einmal: „Alles was vom lieben Gott kommt ist
gut – ob Freud, ob Leid.“ Dies ist eine Ein-Stellung und eine Aus-Richtung
die Ziel-gerichtet ist.
Sie hatte ihr Ziel gefunden – IHN.
Auf IHN galt es sich auszurichten – durch IHN war alles gut.
Um diesen Frieden zu erkennen, muss ich achten, aus welcher
Richtung er mich anspricht und mich auf dieses Ansprechen einstellen. Dann
wird diese Ansprache mich bereit finden anzunehmen und zuzulassen.
Und dies ist der einzige wahre Kampf, der tägliche Kampf,
Gott den Vorrang einzuräumen vor dem Ich will. Mindestens solange,
bis auch dieser Kampf vorbei ist – weil Gott gesiegt hat! Dann denke ich
wir in Dir und mir ertönen: „Es ist vollbracht!“
Ich bin mir sicher, dass ist der Frieden – die innere Zufriedenheit
– von der Jesus sprach. Annehmen was das Leben uns vorsetzt und zulassen,
dass es uns formt. Und aus dieser Quelle heraus werden wir dann leben und
allen zur Freude werden, die um uns sind.
Dies alles muss sich ent - falten können wie Blütenblätter
einer Blume. Blatt für Blatt bis der innere Blütenkelch sichtbar
wird. Dies bedeutet, Frieden ist nicht mit den Maßstäben einer
äußeren Welt zu messen, zu wiegen, zu beurteilen.
Frieden ist ein Zustand des inneren
Menschen.
Und es ist kein Zustand der Vergangenheit, noch ein Zustand
der Zukunft – es ist ein Jetzt-Zu-Stand!
Da Du mir bis hierher gefolgt bist, will ich Dir danken,
indem ich folgende Bitte äußere:
GOTTES FRIEDE WERDE DIR ZUM GESCHENK!
Lasse zu, dass ER ihn pflanzt und lasse
zu, dass ER ihn gießt,
damit er groß wird in Dir – GOTTES
FRIEDEN.
Manfred
Anmerkungen zu den Wörtern im aramäischen Text
vom Verfasser:
Lahwdai
bezieht sich auf diejenigen, die eine Handlung nicht nur durchführen,
sondern sich ihr auch voll verpflichtet fühlen. Die alten Wortwurzeln
erwecken wieder Vorstellungen von Pflanzen; den Boden bestellen, regelmäßig
bearbeiten, Frucht hervorbringen und feiern. Die Betonung liegt auf dem,
was – ungeachtet der Wechselfälle des Lebens – regelmäßig
wiederkehrend getan wird.
Schlamaˆ
Das Wort für Frieden ist im wesentlichen gleich mit dem, welches im
ganzen Nahen Osten seit Tausenden von Jahren als Grußwort gebräuchlich
ist. Darüber hinaus bedeutet es Gesundheit, Sicherheit, eine gegenseitige
Übereinkunft, die eine schwierige Situation rettet, jede glückliche
Zusammenkunft oder Leistung, durch die alle beteiligten Parteien in Übereinstimmung
gebracht werden.
dawnauhie
Das Wort für Kinder bezieht sich auf die Verkörperung, Emanation
oder aktive Erzeugung dessen, was vorher nur als Möglichkeit vorhanden
war.
nitkaruˆn
In den Wurzeln dieses Wortes, das mit „genannt werden“ übersetzt wurde,
klingt auch mit an, einen Kanal oder Brunnen zu graben, durch den Wasser
fließen kann. So werden wir, wenn wir Frieden pflanzen, zu Kanälen
oder Brunnen, die die Erfüllung des göttlichen Willens beschleunigen.
[1] Neil Douglas-Klotz, Das Vaterunser
– ISBN 3-426-87083-5 – www.droemer-weltbild.de
[2] IHM = Es, Urgrund,
Allgegenwart, Sein, Ganzheit usw.
[3] Vorrangig geht
es mir hier um „innere Gesundung“; äußere Gesundheit hängt
von vielerlei Faktoren ab und es wäre vermessen, wollte ich sie mit
diesen kurzen Sätzen beleuchten.