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MM_04427_Aufsatz: Vom Frieden_8 Seiten

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Schreib vom Frieden

 

Immer wieder gingen mir diese Worte durch den Kopf:
„Schreib vom Frieden!“
So will ich mir nun Gedanken machen und niederschreiben, was ich vom Frieden weiß.
 
Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen (Lutherbibel)
 
Tubweˆhuˆn lahwdai schlamaˆ dawnau(hie) d`aˆlaha nitkaruˆn.
(Aramäisch)[1]
 
 
Neil Douglas-Klotz bietet folgende Übersetzungen aus dem Aramäischen an:
 
Gesegnet sind die, die zu jeder Jahreszeit Frieden pflanzen; sie werden die Kinder Gottes genannt werden.
 
Gesund sind die, die den Ton anstimmen, der vereinigt; man wird sich an sie als Strahlen der einen Einheit erinnern.
 
Ausgerichtet auf das All-Eine sind die, die den Boden für friedliche Zusammenkünfte vorbereiten; sie werden zu Brunnen der Lebendigkeit.
 
Ganz bei sich sind diejenigen, die sich innerlich freudig mit sich selbst versöhnen; sie werden das Siegel kosmischer Identität tragen.
 
Geheilt sind jene, in denen die Frucht des Mitgefühls und der Sicherheit für alle reift; sie werden das Kommen Gottes neuer Schöpfung beschleunigen.
 
Als ich diese Übersetzungsangebote las, da war mir, als würde eine Türe zu meinem Inneren aufgestoßen und ein frischer Wind würde mein Denken neu anfachen. Es war ein Aufbruch. Zuerst  ein gedanklicher Aufbruch, dem sich dann sehr viel Empfinden anschloss.
 
Frieden! Dafür hatte ich meinen Beruf gewählt, ihn wollte ich sichern helfen.
Frieden! Dafür gingen Menschen auf die Straße.
Frieden! Dafür hatten Menschen gekämpft. Viele hatten ihn für sich in Anspruch genommen – die anderen hatten ihn gebrochen.
 
War das der Friede, von dem Jesus sprach, der Frieden, den die Menschen suchen?
 
Ich glaube nicht! Aber was ist dann dieser Frieden? Was bedeutet mir dieses Wort, welches mich seit Tagen verfolgt bis in die Tiefen meines Herzens.
 
Wenn ich mir die Übersetzungsvorschläge anschaue, dann geht es da um Frieden pflanzen, einen Ton anstimmen, vereinigen, sich erinnern. Da geht es um „ausgerichtet“ sein und um Vorbereitung. Versöhnung ist gefordert, weil in ihr die Heilung liegt. Mitgefühl für alle!
 
Es ist Tun gefordert – ganz praktisches Tun, jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick. Es ist kein passives „Auf-den-Frieden-warten“.
 
Ich bin gefordert, zuerst ich,
 
denn ich bin der Auslöser von Frieden oder Unfrieden in mir!
 
In meinen gedanklichen Diskussionen hätte ich mir bis vor kurzem entgegengehalten, dass da wohl immer zwei dazugehören und … dass dies mit Realität nichts zu tun hätte. Die Umstände in der Welt, die Unfertigkeit der einzelnen Menschen, die Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Ich hätte auf die Geschichte verwiesen, auf die Erfahrungen in meinem Leben und das, was schon die „Alten“ erzählt hatten. Ich hätte mit Vehemenz auf die Politik verwiesen, auf die beutegierigen Unternehmen, die ausbeuterischen Gesellschaftssysteme dieser Welt und auf die verantwortungslosen Religionen.
 
Wahrscheinlich hätte ich mich so in meine Selbstgespräche hineingesteigert, dass ich den Kontakt zu meiner Außenwelt verloren hätte, außer, es wäre mir einer begegnet, der mir zugestimmt hätte. Oder … einer mit Gegenargumenten. Heiße Diskussionen um die Definitionen wären ausgebrochen, Wortgefechte; Sicherheitszäune für die eigenen Argumente hätte ich aufgebaut und die Argumente des anderen mit großen Wortwaffen zerschossen. Die Diskussion um den Frieden wäre in einen Krieg ausgeartet. Um Wettbewerbsvorteile und Wachstumsraten an intellektuellen Gedanken wäre es in diesem Kampf gegangen – denn einer mußte ja als Sieger aus diesem Gefecht hervorgehen. Nur in „Gesprächen“ um den Frieden? Nein, in Gesprächen um alles.
 
Doch nun weiß ich –
Frieden kennt keinen Sieger!
 
Denn dort, wo es einen Sieger gibt – gibt es auch einen Verlierer. Und ich hätte ganz bestimmt – im Brustton der Überzeugung verkündet: „Der andere hat den Frieden gebrochen!“
 
Immer wieder, wenn ich diese Sätze lese, dann wird mir klar – ich habe nichts begriffen. Warum? Nun, kann es sein, dass ich nicht ergriffen bin, dass ich mich von der „Gewissheit des Friedens“ habe noch nicht ergreifen lassen. Kann es daran liegen, dass ich den Begriff des Friedens bisher immer separat von allen anderen Dingen gesehen habe?
 
Natürlich; ich habe Frieden bisher immer als etwas „Getrenntes“ wahrgenommen! Da gab es das Leben und den Frieden; die Freude und den Frieden; das Glück und den Frieden. Da gab es den Tod und den Unfrieden, die Trauer und den Unfrieden, das Unglück und den Unfrieden. Da gab es den Kampf um den Frieden gerade so, als wäre der Friede ein Preis in einem Wettbewerb. Ich habe gewonnen – doch … (dann gibt es auch einen Verlierer) ich habe auch verloren. Ich habe ge-ur-teilt, getrennt. Doch im Frieden gibt es keine Trennung, glaube ich.
 
Friede ist in Allem ein Teil
und Alles ist ein Teil im Frieden.
 
Es geht also doch um mich – denn, wenn ich nicht den Frieden als Teil meines Seins in mir trage bzw. ich nicht als Sein im Frieden bin, dann bin ich nicht ganz; fertig; vollendet. Ich sende mein Licht (oder was auch immer) aus – und der Spiegel (die Welt) wirft mir den Schatten zurück. Manchmal kann ich mich an das Aussenden nicht mehr erinnern wenn mich der Schatten erreicht und dann verstehe ich nicht; aber ich weiß – aus eigener Erfahrung – ich habe ausgesandt.
 
Auch ER sendet aus – immer – allgegenwärtig – allergreifend – und ich bin der Widerhall dieser Sendung; außer ich bin mal wieder damit beschäftigt Wortgefechte zu führen und Wettbewerbe zu veranstalten. Dann werde ich vom Spiegel zum Zerrspiegel und laufe als Fatamorgana (Fee Morgan) durch die Welt, den Frieden verkündend, den ich noch gar nicht kenne, da ich mich nicht kenne.
 
Es muss sein – jetzt, in diesem Augenblick will ich beginnen – ich muss mich kennen lernen. Und die Übersetzungen dieses „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ helfen mir beim Verstehen. So will ich mich aufmachen, sie zu erfassen, auszulegen (alte Tradition im Nahen Osten) und meine Textinterpretationen hinzufügen.
 
Jeder, der teil - nehmen will, ist von Herzen willkommen.
Jeder, der mit – tun will, ist eingeladen.
 
Die Frage zu stellen wer ich bin ist für mich schwierig. Von wem sollte ich eine Antwort erhalten? Vom Verstand? Dieser ist geprägt von meiner Sozialisierung und wird mir bestimmt keine objektive Antwort geben können. Er wird meine Vorstellungen, Erwartungen usw. widerspiegeln – meine Vorstellungen und Erwartungen von Gott und mir. Also von ihm, da bin ich mir ziemlich sicher, erhalte ich keine erschöpfende Antwort.
 
Im Gegenteil, ist er es nicht, der die oben geschilderten Wortgefechte ausführt und die Wettbewerbe – ich bin schöner als du, reicher, begehrenswerter und erfolgreicher – organisiert. Er ist es, der mir einflüstert – du musst deinen Willen durchsetzen, du musst der Erste, der Beste sein, streng dich an, dann kannst du es erreichen. Du musst wissen, so flüstert er, auch Gott liebt Gewinner.  Strenge dich an, überschreite Grenzen, du musst … Dies sind die Antworten meines Verstandes. Den Frieden gewinnen? Klar, aber als erster im Ziel! Wer ich bin, wie soll er dies wissen?
 
Nun, eine weitere Ebene wären meine Gefühle und Empfindungen. Fühlt sich Frieden gut an? Unfrieden fühlt sich nicht gut an!? Wenn ich in mich hineinhöre (wohin, dazu später), dann sind da immer zwei Stimmen zu hören. Die eine sagt: „Frieden ist gut!“ und die andere: „Aber nicht um jeden Preis!“ Also geht es auch hier um den Preis – den Siegerpreis. Also auch hier ein abwägen, ein einordnen der Vor- und Nachteile. Frieden ist gut, wenn er mir etwas bringt und wenn nicht, dann nicht Frieden um jeden Preis. Manchmal bin ich auch bereit einen „Scheinfrieden“ einzugehen, einen so genannten Kompromiss. Doch auch hier stellt sich die Frage: „Was kostet mich dies!“ bzw. „Was kriege ich dafür!“ Anerkennung, Lob, Zuneigung? Mit meinen Gefühlen ist es wie mit meinem Verstand: „Sie verkaufen sich an den Meistbietenden!“
 
Wenn der „liebe Gott“ mir Etwas gibt für mein Gebet, dann gebe ich Frieden.
 
Und wenn nicht? Dann hadere ich, dann beschwere ich mich, dann werfe ich Ihm den ganzen Krempel hin und will mit Ihm nichts mehr zu tun haben. Dann ist es halt aus mit dem Frieden! Aber war der Zustand davor wirklich Frieden so wie ihn Jesus verstand. Ich denke – und du wirst mir zustimmen – nein.
 
Also was tun, wie diesen Frieden finden, von dem Er sprach. Nun, vielleicht muss ich wirklich die einzelnen Übersetzungen betrachten, damit ich den „Frieden“ verstehe – im Frieden stehen lerne.
 
Gesegnet sind die, die zu jeder Jahreszeit Frieden pflanzen; sie werden die Kinder Gottes genannt werden.
 
Das Schlüsselwort in dieser Zeile ist für mich das Wort Kind. Vor vielen Jahren sagte einmal ein Astrologe zu mir: „Wir haben zu viele Macher auf der Erde!“ Weiterhin sagte er, dass ich kein Macher sei. Und gerade dies wollte doch mein Verstand sein – ein Macher. Nein, ein Kind wollte er nicht sein. Mit dem Kindsein hatte er Probleme. Kindsein war für ihn gleichgesetzt mit unmündig, zurückgestellt, nicht entscheidungswürdig, bevormundbar, zur Erziehung freigegeben. Nein, nein, dies alles wollte ich – weder nach meinem Verstand, noch nach meinem Gefühl – sein.
 
Doch Kindsein hat für mich heute eine andere Bedeutung. Kindsein heißt – offen sein, ohne Vorurteile. Kinder pflanzen ihre Ideen plötzlich in den Grund, ohne lange zu fragen, ob es ihnen Vorteile oder Nachteile bringt. Kinder werden erst berechnend, wenn wir anfangen sie zu erziehen.
 
Wenn es mir also gelingt, offen wie ein Kind zu sein, mit offenen Händen durch die Welt zu gehen, anzunehmen und zu geben, ohne auf meinen Vorteil (Vorurteil) zu achten, einfach und gerade, dann bin ich klar in meinem Wesen. Ist diese Klarheit nicht die Grundvoraussetzung für „Frieden“?
 
Ich glaube schon und wenn diese Klarheit stört, dann nur den Scheinfrieden, die Decke  aus Gutmeinensfrömmigkeit (eine wundervolle Wortschöpfung einer Bekannten) und nicht den wahren Frieden. Ich habe einmal in einem Gedicht geschrieben – Kinder sind so unangenehm ehrlich, bis sie erzogen sind, dann schweigen sie! Nun, schweigen will ich nicht, aber auch nicht in einen Wettbewerb um den Frieden eintreten.
 
Den Frieden in jeder Jahreszeit zu pflanzen! Dies verstehe ich als Aufforderung, in mir umzugraben, die alten Früchte aus dem Boden zu holen – wenngleich ich da wohl tief graben muss – und dann die neuen Samen in eine tiefe Furche zu legen. Immer, jeden Augenblick meines Lebens. Wo fragst du?
 
Nun, dort, wo das Leben pulsiert – nein, nicht im Kopf – im Herzen.
 
Aus dem Herzen heraus leben, im Herzen verankert sein, das Herz sprechen lassen. Wir kennen doch alle diese Worte. Tun wir es auch. Nun, ich sehr oft nicht und dies macht mich unzufrieden, gereizt; zu einem Menschen der schwierig ist. Es gilt also, die Krankheit des Verstandes und das Ungesunde in meinen Gefühlen aufzuspüren und anzuschauen. Es gilt wieder gesund zu werden.
 
 
Gesund sind die, die den Ton anstimmen, der vereinigt; man wird sich an sie als Strahlen der einen Einheit erinnern.
 
Über Gesundheit wird derzeit so viel gesprochen, wie noch nie in meinem Leben. Jeder verspricht Gesundheit und doch sind die Ärztezimmer voll, die Krankenhäuser quellen über und die Gesundheitssysteme oder wohl besser die Krankheitsfinanzierungssysteme stoßen an ihre finanziellen Grenzen – sagt man. Geht es uns bei der Gesundheit nicht auch so wie mit dem Frieden. Wissen wir was Gesundheit ist? Für viele mit denen ich rede ist Gesundheit die Abwesenheit von Krankheit. Aber ist die Abwesenheit von Krankheit wirklich Gesundheit? Ist die Abwesenheit von Krieg – Frieden?
 
Jesus sagte zu denen, die ER heilte: „Gehe hin und sündige nicht mehr!“ Sünde, ein Wort, welches in unserer Gesellschaft verpönt ist. Sünde ist mega out. Doch verstehen wir das Wort Sünde und was hat es mit Gesundheit zu tun. Nun, ich denke viel, wenn nicht gar alles. Sünde ist wohl Sonderung! Absonderung aus einer Ordnung – und im Sinne Jesu wohl aus der Ordnung Gottes. Wenn ich mich also von der Ordnung Gottes entferne, dann sündige ich. Ich sondere mich ab von Ihm; von IHM[2] – der Ganzheit. Wenn Jesus also sagte: „Gehe hin und sündige nicht mehr, dann meinte Er wohl – so verstehe ich es wenigstens – sondere dich nicht mehr ab aus der Ordnung Gottes.
 
Aus diesem Gesichtspunkt heraus gesehen ist die gesamte gefallene Schöpfung – also die materielle Schöpfung – Produkt von Krankheit. Ist der Engelfall eine Krankheit? Natürlich, denn diese Wesenheiten sind aus der bestehenden Ordnung willentlich ausgestiegen um eine neue, ihren „Bedürfnissen entsprechende Ordnung“ zu kreieren:
 
„Ich will!“
 
Nun heißt dies nicht, dass jeder der „Ich will“ sagt, krank ist. Aber jeder der nur „Ich will“ sagt, ist bestimmt nicht gesund. Ich kenne viele dieser „Ich will“ auch bei mir – ich habe sie oben beschrieben: „Wettbewerb und ständiges Wachstum“. Heißt dies nun, dass Wettbewerb und Wachstum Krankheiten sind? Für mich schon, wenn ich sie unter dem Gesichtspunkt des Profits betrachte.  Wenn ich dabei die innere Ordnung übersehe, die Ganzheit vergesse.
 
„Ich will sein wie Gott“, dies ist für mich der erste Gedanke der zur Krankheit führte und diesem Gedanken sind wir alle – der eine mehr, der andere weniger – noch immer verfallen.
 
Meinen inneren Ton habe ich verloren! Warum? Nun, weil er nur in einer Harmonie klingen würde. Harmonie bedeutet aber, dass ich mich einreihen muss. Dass ich zu einem Tongefüge gehöre. Dass es da nicht nur um mich geht, sondern um etwas Größeres.
So bedeutet für mich Gesundheit[3] meinen Ton wieder–zu-finden. Gesund bin also dann, wenn ich wirklich meinen Ton einbringe in die Harmonie. In der Harmonie gibt es keinen Wettbewerb. Da gibt es ein Bestreben durch den harmonischen Klang die Einheit zu verherrlichen.
 
 
Ausgerichtet auf das All-Eine sind die, die den Boden für friedliche Zusammenkünfte vorbereiten; sie werden zu Brunnen der Lebendigkeit.
 
Ausgerichtet sein auf ein Ziel, welches nicht nur mir dient, sondern der Gemeinschaft und darüber hinaus der Ganzheit. Also, vom Kleinen zum Großen, von der Oktave zur Symphonie der Schöpfung. Ein einzelner Ton, der sich besonders darstellt – stört da; führt automatisch zur Disharmonie.
 
Wenn ich jedoch auf dieses Ziel „Mitspielen in der Schöpfungssymphonie“ ausgerichtet bin, dann öffne ich mich für das „Du“; ich öffne mich für das Leben in seiner Ganzheit. Ich teile dann nicht mehr – nun, derzeit ist es schon schön, wenn der kleinste Versuch gelingt – sondern ich füge zusammen wo Trennung ist. Ich bereite den Boden für friedliche Zusammenkünfte. Wo? In mir!
 
In meinem Herzen berufe ich eine Konferenz ein und lade dazu ein – meinen Verstand und meine Gefühle. Alles, was ich im Kopf habe und alles was im Bauch sich ausbreitet lade ich ein zu einer Konferenz in mein Herz. In der Mitte treffen wir uns.
 
Vielleicht ist Dir, lieber Teilnehmer an meinem Exkurs aufgefallen, dass ich von mir spreche. Wer ist dieses ich/mir? Soweit ich erkennen kann nicht meine Gedanken und nicht meine Gefühle. Dies sind Spielfelder von mir, doch nicht meine Wirklichkeit. Viele Begriffe wurden für diese Wirklichkeit erfunden: „Geist, Monade, Seele usw.“. Suche Dir einen aus, der Dir gefällt. Doch eines ist klar: „Ich bin diese Wirklichkeit und somit viel mehr als alle Gedanken und Gefühle zusammen. Denn diese sind nicht meine Erfinder, sondern sie sind meine Kinder. Ich bin ihr Schöpfer und ich sollte ihr Lenker sein. Doch dies – ich gestehe es freimütig ein – bin ich nur unzureichend.
 
Wäre ich ihr Lenker, dann wäre ich nicht krank und hätte keine Probleme mit dem „Frieden“.
 
Sehr oft ist es so, dass sie sich bekämpfen, im Wettbewerb zueinander stehen und ich stehe abseits und tue so, als würde mich das Ganze nichts angehen. Ein andermal lasse ich mich von einem von ihnen dominieren. Gewinnen meine Gefühle, dann raste ich gefühlsmäßig aus bzw. versinke in eine tiefe „Gefühlsduselei“ je nach dem Anlass. Oder mein Verstand gewinnt, dann plane ich, liste auf und lege Wege fest, von denen ich weiß, dass ich sie nie gehen werde – außer in meinen Phantastereien.
 
Um jedoch gesund werden zu können, muss ich sie miteinander versöhnen. Ich muss beiden ihren Platz zugestehen, jedoch lernen, dass ich der „Steuermann“ bin. Dies bedeutet nicht, dass ich sie nun dominieren muss. Nein, ich muss sie anerkennen als meine Kinder, muss sie annehmen wie meine Kinder, sie lieben und doch auch erziehen. Ich muss ihnen wieder beibringen, dass sie zum Wohle der Ganzheit – in diesem Falle „mir“ – zusammenarbeiten müssen.
 
Der Boden dieser Zusammenarbeit liegt im Herzen. Dort, wo ich zuhause bin.
 
Ist es nicht interessant, dass bei den Ägyptern es das Herz war, welches auf der Waage der Maat (Ordnung) gewogen wurde; aufgewogen gegen eine Feder. War das Herz schwerer als die Feder wurde es verworfen und der „Tote“ konnte in der jenseitigen Welt nicht weiterleben. Das Gehirn? Es war bedeutungslos, wurde bei der Einbalsamierung nicht gebraucht und aus dem Schädel geholt. Warum? Nun, es wurde als Teil dieser Welt angesehen und in der anderen Welt nicht zu gebrauchen.
 
Die großen Mystiker sprechen alle davon, dass das All-Eine im Herzen des Menschen zuhause ist. Der Geistfunke, die große Seele, sie sind in der Spitze des Herzens verankert.
 
Von diesem Herzen aus, wird mit der Kraft, die aus der Verbindung zur All-Einheit entspringt, der ganze äußere Kreislauf mit Leben versorgt. Hier ist der Platz für friedvolle Zusammenkünfte, hier ist der Boden für eine friedvolle Entwicklung, hier ist der Brunnen, aus dem alle trinken können.
 
Als Jesus zur Frau am Brunnen sprach: „Ich bin das Wasser des Lebens; wer davon trinkt, wird nie wieder Durst haben“, meinte er da nicht die Präsenz der EWIGEN ALL-EINHEIT durch ihn? Wenn du eins wirst mit mir – der göttlichen Essenz in dir – dann bist du gesund – lebendig!
 
 
Ganz bei sich sind diejenigen, die sich innerlich freudig mit sich selbst versöhnen; sie werden das Siegel kosmischer Identität tragen.
 
Ein Wort in diesem Satz hat für mich persönlich eine „fundamentale Bedeutung – Freude!“
 
Was bitte hat Frieden mit Freude zu tun? Alles, denn ohne Freude gibt es keinen Frieden.
 
Sehr oft habe ich Menschen, die sich vehement für den Frieden eingesetzt haben, auf allen Ebenen und in allen denkbaren Ausformungen als „verbitterte Menschen“ kennen gelernt. Sie waren so auf ihren „Kampf um den Frieden“ fixiert, dass sie die Freude vergessen hatten. Übrigens habe ich auch viele „Asketen auf den geistigen Pfaden“ erlebt – und ich gestehe, ich war so einer – die Gottes Reich nur durch Opfer und Verzicht zu erreichen glaubten. Es gab Zeiten, da hätte ich Jesus ebenso wie die „Scheinheiligen“ seiner Zeit Völlerei vorgeworfen. Ich hätte dies wahrscheinlich sehr leise getan. Warum? Weil ich Angst vor einem „strafenden Gott“ hatte und Jesus ist immerhin sein Sohn.
 
Oder ich hätte mich vor dem „Buchhalter Gott“ gefürchtet, der meine Ausraster in sein „heiliges Buch“ schreibt um mir dann bei meinem Übergang die Rechnung zu präsentieren. Himmel oder Hölle hatte in meinem Denken sehr oft etwas mit Askese oder Freude zu tun. Waren nicht alle Heiligen Asketen? Nun, so wurden sie mir geschildert – aber heute glaube ich nicht mehr daran.
 
Derjenige, der innerlich nicht freudig den Weg zur Ganzheit geht – der hält ihn nicht durch.
 
Dies mag einige Jahre gehen, aber nicht für immer. Und wie gesagt – Askese aus Angst (damit meine ich nicht freiwilligen Verzicht um eines höheren Zieles willen) – verbittert. Friede ist da wohl weit entfernt. Fundamentalismus in seiner missionarischen Form ist da eher gegeben. Ich habe die Wahrheit, ich kenne den Weg, ich bin es, der dir die Ewigkeit vermitteln kann etc.
 
Wie gesagt, einmal war ich ein Völler, dann ein Asket, einmal ein vor Angst Zitternder und dann wieder ein Verrückter, der in den Bach springt, den ein anderen umgeleitet hat. Dies alles war ich – bin ich noch manchmal. Kann „man“ mit so jemanden Frieden halten. Ja, wenn „man“ sich versöhnt. Dies bedeutet genau, was oben steht: „Um zum Frieden zu gelangen, muss ich mich mit mir selbst versöhnen!“ Ganz leicht, oder? Nun, für mich die schwerste Aufgabe die es gibt.
 
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Aussage Jesu. Zweites Gebot. Ja, meinen Nächsten lieben, dies verstehe ich. Glaube ich. Oder? Aber wie mich. Soll ich wieder von vorne anfangen? Nein. Dazu bin ich zu weit gewandert. Natürlich ist dieses Gebot nur in seiner Ganzheit zu verstehen. Die Liebe zum Nächsten kann ich nur erbringen, wenn ich mich selbst liebe. Eigenliebe? Ja! Narzissmus? Nein. Eigenliebe ja, aber nur ihm Hinblick auf das erste Gebot: „Liebe Gott über alles!“
 
Da habe ich es doch wieder – die Ganzheit. Ich brauche diese Dreiheit: „Gott, Du, Ich!“ Nur in diesem Gleichklang kann ich den anderen lieben und mich. Und indem ich den anderen liebe, liebe ich Gott, denn Jesus sagte: „Was du deinem Nächsten tust, das hast du mir getan!“ In uns allen ist Gottes Substanz. Wie ein Wassertropfen im Ozean dieselbe Substanz hat wie der ganze Ozean, so habe ich und natürlich alle meine Nächsten – also Alle – dieselbe Substanz wie Gott und ich.
 
Wir alle spiegeln Gott wider – wenn wir verstehen, richtig zu spiegeln.
Noch sind wohl viele von uns Schattenwerfer – und nicht Lichtspiegel!
 
Wären wir schon Lichtspiegel, wir wären gesund, ausgerichtet auf das gemeinsame Ziel – Schöpfungssymphonie, würden den friedvollen Boden in Freude für die bereiten die uns nachwachsen. Wir würden uns nicht mehr um den Boden streiten, würden nicht mehr gegeneinander kämpfen, müssten uns nicht mehr beweisen, wer der Bessere von uns ist und wären damit geheilt von unserem „Wahn“, wir äußeren Menschen müssten tun.
 
Herr, wie weise ist Deine Schöpfung,
nur wir Menschen glauben,
wir müssten ständig etwas verbessern.
 
Nein, wir äußeren Menschen müssten nicht immer tun. Im Gegenteil, wir müssten zulassen. Zu-lassen, dass der Geist in uns tun kann; also wir  - in unserer Wirklichkeit - selbst. Unser „Fall“ wäre geheilt.
 
 
Geheilt sind jene, in denen die Frucht des Mitgefühls und der Sicherheit für alle reift; sie werden das Kommen Gottes neuer Schöpfung beschleunigen.
 
Geheilt sind also jene, die im „Du“ die Verwirklichung gefunden haben: „Im Schöpfer-Du, im Bruder-Du, im Schwester-Du, im Kind-Du, im Vater-Mutter-Du!“
 
Wenn es mir also gelingt, Mitgefühl für meine Gedanken zu entwickeln, meinen Gefühlen Wertschätzung zukommen zu lassen, dann muss ich sie in meinem „Nächsten“ nicht mehr be-ur-teilen, als richtig einstufen oder als falsch bekämpfen. Wenn ich mich in mir versöhnt habe mit allen meinen „Persönlichkeiten“, dann muss ich keinem mehr beweisen, dass ich der Beste, der Klügste, der Schönste (fällt Dir noch ein Wort ein) bin. Dann muss ich überhaupt nichts mehr beweisen.
 
Dann bin ich mit  mir – zu-frieden.
 
Einfach oder? Aber dann gibt es auch kein „missionieren“ mehr; kein Aufdrängen von Meinungen, kein besserer Weg, kein richtigeres Verhalten, dann ist – FRIEDEN.
 
Nun, so bin ich für mich zur Überzeugung gekommen, dass der Frieden schon da ist. Dass ich ihn nicht zu suchen brauche, nicht um ihn kämpfen muss, ihn nicht erringen muss – ich muss nur zulassen, dass er mich umfängt; ER – DER EWIGE FRIEDE!
 
Solange ich glaube, dass ich machen muss, solange wehre ich mich dagegen. Wehre mich dagegen, dass die Wahrheit in mir aufscheint, da sie manchmal gegen meine Wahrheit steht; dass die Klarheit in mir zutage tritt, weil ich sie nicht vertrage; dass die Ehrlichkeit mein Begleiter wird, weil sie mir „faule Kompromisse“ aus der Hand nimmt.
 
Solange ich um den Frieden ringe – da bin ich mir sicher – mache ich genau das, was dem Frieden im Weg steht: „Ich will!“ Wenn ich nicht mehr will, sondern sage: „Wie Du willst“ – dann ist FRIEDEN!
 
Nur dann habe ich Sicherheit, nur dann habe ich Geborgenheit, nur dann habe ich Frieden, wenn ich Gottes Liebe annehmen kann – nicht als mein Verdienst – sondern als ein Geschenk.
 
Annehmen hat für mich etwas mit Ein-Stellung zu tun und Aus-Richtung.
 
Therese Neumann aus Konnersreuth, eine stigmatisierte Frau des 20. Jahrhunderts sagte einmal: „Alles was vom lieben Gott kommt ist gut – ob Freud, ob Leid.“ Dies ist eine Ein-Stellung und eine Aus-Richtung die Ziel-gerichtet ist.
 
Sie hatte ihr Ziel gefunden – IHN. Auf IHN galt es sich auszurichten – durch IHN war alles gut.
 
Um diesen Frieden zu erkennen, muss ich achten, aus welcher Richtung er mich anspricht und mich auf dieses Ansprechen einstellen. Dann wird diese Ansprache mich bereit finden anzunehmen und zuzulassen.
Und dies ist der einzige wahre Kampf, der tägliche Kampf, Gott den Vorrang einzuräumen vor dem Ich will. Mindestens solange, bis auch dieser Kampf vorbei ist – weil Gott gesiegt hat! Dann denke ich wir in Dir und mir ertönen: „Es ist vollbracht!“
 
Ich bin mir sicher, dass ist der Frieden – die innere Zufriedenheit – von der Jesus sprach. Annehmen was das Leben uns vorsetzt und zulassen, dass es uns formt. Und aus dieser Quelle heraus werden wir dann leben und allen zur Freude werden, die um uns sind.
 
Dies alles muss sich ent - falten können wie Blütenblätter einer Blume. Blatt für Blatt bis der innere Blütenkelch sichtbar wird. Dies bedeutet, Frieden ist nicht mit den Maßstäben einer äußeren Welt zu messen, zu wiegen, zu beurteilen.
 
Frieden ist ein Zustand des inneren Menschen.
 
Und es ist kein Zustand der Vergangenheit, noch ein Zustand der Zukunft – es ist ein Jetzt-Zu-Stand!
 
Da Du mir bis hierher gefolgt bist, will ich Dir danken, indem ich folgende Bitte äußere:
 
 
GOTTES FRIEDE WERDE DIR ZUM GESCHENK!
Lasse zu, dass ER ihn pflanzt und lasse zu, dass ER ihn gießt,
damit er groß wird in Dir – GOTTES FRIEDEN.
 
 
Manfred
 
 
Anmerkungen zu den Wörtern im aramäischen Text vom Verfasser:
 
Lahwdai            bezieht sich auf diejenigen, die eine Handlung nicht nur durchführen, sondern sich ihr auch voll verpflichtet fühlen. Die alten Wortwurzeln erwecken wieder Vorstellungen von Pflanzen; den Boden bestellen, regelmäßig bearbeiten, Frucht hervorbringen und feiern. Die Betonung liegt auf dem, was – ungeachtet der Wechselfälle des Lebens – regelmäßig wiederkehrend getan wird.
 
Schlamaˆ           Das Wort für Frieden ist im wesentlichen gleich mit dem, welches im ganzen Nahen Osten seit Tausenden von Jahren als Grußwort gebräuchlich ist. Darüber hinaus bedeutet es Gesundheit, Sicherheit, eine gegenseitige Übereinkunft, die eine schwierige Situation rettet, jede glückliche Zusammenkunft oder Leistung, durch die alle beteiligten Parteien in Übereinstimmung gebracht werden.
 
dawnauhie         Das Wort für Kinder bezieht sich auf die Verkörperung, Emanation oder aktive Erzeugung dessen, was vorher nur als Möglichkeit vorhanden war.
 
nitkaruˆn           In den Wurzeln dieses Wortes, das mit „genannt werden“ übersetzt wurde, klingt auch mit an, einen Kanal oder Brunnen zu graben, durch den Wasser fließen kann. So werden wir, wenn wir Frieden pflanzen, zu Kanälen oder Brunnen, die die Erfüllung des göttlichen Willens beschleunigen.


[1] Neil Douglas-Klotz, Das Vaterunser – ISBN 3-426-87083-5 – www.droemer-weltbild.de
[2]     IHM = Es, Urgrund, Allgegenwart, Sein, Ganzheit usw.
[3]     Vorrangig geht es mir hier um „innere Gesundung“; äußere Gesundheit hängt von vielerlei Faktoren ab und es wäre vermessen, wollte ich sie mit diesen kurzen Sätzen beleuchten.
 

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