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Es ist so leicht Bilder zu verehren

Am Anfang war das Wort
Und in dem Wort war Wahrheit
Gefangen dann in Raum und Zeit
Verlor es seine Klarheit
 
Durch Nebelschwaden eingetrübt
Gesteuert durch den Intellekt
Hat dieses Wort steht`s angeeckt
Gerades wurd` verbogen
 
Nun taucht aus dem Erinnern auf
Des Wortes lichte Klarheit
Und wieder stehen Menschen auf
Verkünden alte Wahrheit
 
Am Anfang war das Wort
Und in dem Wort war Wahrheit
Entbunden dann von Raum und Zeit
Zeigt es dir Klarheit
 
 
 
"Es ist so leicht Bilder zu verehren, sie frieren nicht, sie hungern nicht, sie brauchen keine Liebe" sprach Franz von Assisi bzw. der Schauspieler, der ihn darstellte.
Ja, so ist es, und doch hängen wir an Bildern, die wir verehren können, an Formen die wir anbeten und sei es nur, in dem wir ihnen Kult geben.
Du glaubst mir nicht?
Nun, wer sind deine Vor-bilder, denen du nachstrebst. Wo ist deine Kultfigur? Wo das Bild, welches du dir vom Leben machst?
Du meinst, es wäre etwas anderes! Und Vorbilder wären doch dringend notwendig und Ziele müsse man doch haben. Du erzählst mir von der Wichtigkeit jedes einzelnen Tages und von den Vorhaben, die du noch hast. Du erzählst mit einer glühenden Begeisterung und ich höre dir zu. Du erzählst mir so viel. Immer wieder höre ich, was andere denken bzw. dachten, denn manche derer, denen du so nacheiferst, sie sind seit Jahrhunderten nicht mehr hier auf dieser Erde. Du erzählst mir die Leben anderer Menschen, ihre Gedanken, ihre Gefühle - manchmal niedergeschrieben von Dritten - und ich höre dir zu.
Warum?
Glaubst du, dass es die Geschichten sind?
Auch! Doch viel mir ist es die Art, wie du mir erzählst. Denn in all den Geschichten erfahre ich deine Wünsche, deine Sehnsüchte, deine Vorlieben. Es ist nicht wichtig, was du mir erzählst, es ist für mich wichtig, wie du es mir erzählst. Dadurch erfahre ich etwas über dich und dies ist mir wichtig.
 
Meine Freundin, mein Freund, wir haben uns in ein Gefängnis begeben und weil wir dies nicht zugeben wollen, erzählen wir uns gegenseitig, wie schön dieses Gefängnis ist.
Ein Gefängnis sagst du, dies glaube ich nicht!
Ja, ein Gefängnis sage ich und dieses Gefängnis heißt - Vorstellung!
Nein, sagst du, ich rede über die Realität!
Natürlich, antworte ich dir, denn die Realität ist eine Vorstellung. Richtig ist - so zu sein, anders zu sein ist falsch!
Was ist dieses "RICHTIG und FALSCH"?
Werte sagst du, wichtige Werte!
Werte für wen und durch wen aufgestellt, frage ich zurück!
Wir sehen uns an wie Fremde und wir verstehen uns nicht.
Und nach geraumer Zeit - "aber Werte müssen wir doch haben!" - oder?
Ja, sage ich, doch wer stellt sie auf?
 
Vor einigen Tagen erzählte mir ein guter Bekannter Folgendes:
"Man hatte an einem Institut einen Versuch unternommen. Mehreren Studenten wurde ein Unfall vorgeführt. Man erklärte ihnen im Vorfeld, dass sie im Anschluss an die Vorstellung den Unfall beschreiben sollten. Es wäre daher dringend geboten, dass sie sich jede Einzelheit genau einprägen sollten. Wie gesagt, der Unfall wurde gezeigt und die Studenten schrieben auf, was sie gesehen hatten. Und das Ergebnis - es waren soviel Unfallschilderungen vorhanden, wie Studenten, doch sie wichen z.T. deutlich voneinander ab!"
Wie kann dies sein? Es war derselbe Unfall und die Studenten wussten im Vorfeld, dass sie dieses Geschehen niederschreiben sollten. Doch, und das Ergebnis lässt nur diesen Schluss zu, sie sahen alle einen anderen Unfallverlauf.
Kann es sein - dass unsere Sicht von Dingen nur unsere Sicht ist?
Ich denke ja und dies bedeutet doch: "Es gibt so viele Sichten wie es Menschen gibt!"
Ich weiß, dass diese Aussage gefährlich ist, denn sie zerstört die "Vorstellung von Sicherheit".
Du fragst, was dies mit Vorbildern etc. zu tun hat?
Nun, ganz einfach. Wissen wir wirklich, was der andere Mensch denkt, gedacht hat, fühlt, gefühlt hat? Kann es sein, dass wir glauben es zu wissen. Kann es sein, dass wir uns damit identifizieren, weil es unseren eigenen Vorstellungen entspricht, weil es unseren einen Vorlieben entgegen kommt.
Manchmal habe ich festgestellt, dass manche meiner Vorlieben, meiner Vorstellungen gar nicht meine sind, sondern, dass sie Teil meiner Erziehung sind. Manchmal denke ich so, wie mein Vater dachte, wie meine Mutter dachte, wie so viele andere Menschen dachten. Manchmal mache ich dies so, weil ich es so gelernt habe. Und manchmal frage ich mich, welchen Beweggrund ich hatte und habe, dies zu tun?
Meine innere Stimme sagt mir dann - dass der Hauptgrund Anerkennung war und ist. Ja, ich wollte und will anerkannt werden, zum Kreis gehören, geliebt werden. Ja, geliebt sein, dies war und ist wohl der Hauptgrund.
Du fragst mich, was daran schlimm sei?
Nichts, außer ich verleugne mich dadurch selbst!
Als ich diesen Satz hörte, den ich an den Anfang dieses Briefes stellte, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Viele der von mir verehrten Bilder waren meine Vorstellungen vom Leben und die, die es gelebt hatten, waren meine Heroen.
Warum?
Nun, weil sie etwas fertig gebracht hatten, was ich nicht fertig gebracht habe - sie lebt ihr Leben! Aber vielleicht täusche ich mich ja auch da. Vielleicht lebten sie auch ein Leben eines Vorbildes nach, weil es ihren Vorstellungen entsprach.
Franz von Assisi sagte einmal: "Ich folge den Fußspuren des Heilands." Und ein Kardinal fragte ihn daraufhin: "Kann man diese denn noch sehen?" Eine gute Frage, oder?
Warum ich diesen Brief geschrieben habe, fragst du?
Der erste Grund: Vor einigen Wochen wollte mich ein Mann kennen lernen, der einige Schriften gelesen hatte, die ich geschrieben habe. Es wollte dies, weil ihn diese Schriften an Schriften erinnerten, die ein anderer Mann vor einhundert Jahren geschrieben hat. Nun, es kam zu diesem Treffen. In unserem Gespräch stellten wir beide fest, dass ich eines der Hauptwerke dieses anderen "Schreibers" nicht gelesen hatte. Dies hat dazu geführt, dass der Mann, der mich eingeladen hat, nun ein "Problemchen mit mir" hat. Warum?
Nun, dies entsprach wohl nicht den Vorstellungen! So ein Ärgernis. Es ist doch so leicht…...
Der zweite Grund: Vielleicht gibt es bei euch, denen ich schreibe, ja auch eine Vorstellung. Es könnte die Vorstellung von Sicherheit sein, die Vorstellung von Richtig und Falsch, die Vorstellung von "Gutsein" oder wie einmal eine Frau schrieb: "Gutmeinensfrömmigkeit!"
Viel Freude in eurem Leben.
 
Manfred
 
PS: Darf ich dich warnen. Glaube nicht den Worten, die ich geschrieben habe, denn es sind nur meine Vorstellungen. Es ist wie in einem Theater. Der Intendant weiß vieles, doch er weiß nicht, was der Beleuchter denkt. Und wenn dieser nicht ausleuchtet, dann weiß der Schauspieler nicht, wo er steht und der Zuschauer sieht ihn nicht.

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